Jean Weidt
Jean Weidt (7. Oktober 1904 – 29. August 1988), seit 1984 Ehrenbürger von Rangsdorf.
Geboren wurde der Tänzer und Choreograph als Hans Weidt in Hamburg. Von 1958 bis zu seinem Tod lebte er zusammen mit der Malerin und Graphikerin Ursula Wendorff-Weidt in Rangsdorf in der Puschkinstraße 8.
Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, verließ er mit sechzehn Jahren das Elternhaus, um seine Passion Tanz zu verwirklichen. Der Autodidakt arbeitete als Gärtner und im Hamburger Hafen als Kohlentrimmer, um Geld für den Aufbau seiner Tanzgruppen zusammen zu bringen.
Jean Weidt gehörte zu den Pionieren des Ausdruckstanzes und war einer der wichtigsten Protagonisten des politischen Theaters der Weimarer Republik. Von 1925 bis 1928 trat er mit seiner Gruppe in Hamburg auf (Kammerspiele, Curio-Haus). Erste Bekanntheit erlangte er mit dem Stück Der Gaukler und das Klingelspiel, dasan der Hamburgischen Staatsoper aufgeführt wurde. 1929 kam er mit seiner Gruppe Die Roten Tänzer nach Berlin und veranstaltete sozialkritische Tanzabende. Der Theaterintendant und Regisseur Erwin Piscator inszenierte mit Weidt u.a. das Stück Tai Yang erwacht von Friedrich Wolf, für das John Haertfield das Bühnenbild schuf. Aus Begegnungen mit Gustav von Wangenheim, Ludwig Renn, Hans Rodenberg, John Heartfield und Arthur Pieck entstanden sozialkritische Stücke, die das Anliegen Jean Weidts unterstützten, neue tänzerische Ausdrucksformen für Themen der Arbeiterklasse zu finden.
Weidt erkannte die heraufziehende Gefahr des Faschismus und wurde 1931 Mitglied der KPD. Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nazis wurde er verhaftet, konnte frei kommen und noch 1933 über Moskau nach Frankreich emigrieren. Mit seinen in Paris gegründeten Compagnien Ballets Weidt und Le Ballets 38 wurde er der führende Choreograph der modernen französischen Tanzszene. In Kontakt war er u.a. mit Pablo Picasso, Jean Cocteau, Jean Gabin, Josephine Baker, Maurice Chevalier. Programmhefte seiner Aufführungen illustrierte unter anderem Jean Cocteau. Der junge Louis Armstrong bekam seine ersten Engagements in Frankreich von Jean Weidt und tourte mit ihm und seiner Compagnie von 1933 bis 1936 durch Europa.
Nach der deutschen Besetzung Frankreichs und seiner Internierung in Algerien, meldete sich Jean Weidt als Freiwilliger zur Britischen Armee und beteiligte sich aktiv am Kampf gegen den Faschismus.
Auf Einladung von Wilhelm Pieck kam Jean Weidt 1948 in den Osten von Berlin. An der Volksbühne leitete er das neue Dramatische Ballett. Zusammen mit dem Komponisten Hanns Eisler entstand 1954 die Idee für die „Störtebeker Festspiele“ auf Rügen. Nach Zwischenstationen als Choreograph in Schwerin, Hamburg und Chemnitz folgte er 1966 dem Ruf von Walter Felsenstein an die Komische Oper in Berlin. Parallel zu Tom Schillings international erfolgreichem „Tanztheater der Komischen Oper“ baute Jean Weidt mit 40 Laientänzern die Gruppe Junger Tänzer auf, die er bis zu seinem Tod leitete. Ein Erfolg wurde die von ihm initiierte Veranstaltungsreihe Stunde des Tanzes, an der sich alle Spitzencompagnien der DDR beteiligten.
2010 ehrte die GEDOK Brandenburg (Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstfördernden e. V.) mit der Ausstellung „DIE WEIDTS“ in der Rangsdorfer Galerie KUNSTFLÜGEL erstmals das Schaffen der ganzen Künstlerfamilie: Jean Weidt, Ursula Wendorff-Weidt, Andreas Weidt und Michael Weidt.
Gerlinde Förster
© Foto, ca. 1985: Michael Weidt



